Der demografische Wandel in Deutschland ist längst keine ferne Zukunftsmusik mehr, sondern bereits heute spürbare Realität in deutschen Unternehmen. Mit dem dramatischen Anstieg des Anteils älterer Beschäftigter stehen Arbeitgeber vor der Herausforderung, ihre Arbeitsplätze und Organisationsstrukturen an eine alternde Belegschaft anzupassen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat gemeinsam mit der Leuphana Universität Lüneburg ein innovatives Bewertungsinstrument entwickelt, das Unternehmen dabei unterstützt, diese Transformation erfolgreich zu meistern: den Later Life Workplace Index (LLWI).
Die Dringlichkeit des Handelns
Die statistischen Zahlen sprechen eine klare Sprache: Etwa drei Viertel der 55- bis 65-Jährigen sind erwerbstätig, während das Durchschnittsalter beim Rentenbeginn „aufgrund von Alter“ 2023 bei über 64 Jahren lag. Gleichzeitig zeigt die erschreckende Realität, dass das Durchschnittsalter bei Rentenbeginn „aufgrund von verminderter Erwerbsfähigkeit“ bei nur 54 Jahren liegt. Diese Diskrepanz verdeutlicht das zentrale Problem: Viele Beschäftigte schaffen es nicht gesund bis zur Rente.
Die Gesundheit der Beschäftigten beeinflusst sowohl ihre Arbeitsfähigkeit als auch die Motivation zur Arbeit und spielt damit eine zentrale Rolle für den Zeitpunkt des Austritts aus dem Erwerbsleben. Hier setzt die alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung als präventiver Ansatz an, denn Gesundheit wird maßgeblich durch die Arbeitsgestaltung über das gesamte Erwerbsleben hinweg beeinflusst.
Der Later Life Workplace Index: Ein wissenschaftlich fundiertes Diagnoseinstrument
Der LLWI wurde auf wissenschaftlicher Basis entwickelt und in über 100 Betrieben praktisch erprobt. Das Instrument erfasst neun wesentliche Dimensionen, die für ältere oder alternde Belegschaften besonders relevant sind:
Organisationsklima bildet das Fundament für eine altersfreundliche Unternehmenskultur, während Führungsqualität entscheidend für die erfolgreiche Begleitung älterer Mitarbeiter ist. Die Arbeitsgestaltung und Arbeitsbedingungen müssen an die sich verändernden Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst werden.
Ein umfassendes Gesundheitsmanagement wird zur Prävention und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit immer wichtiger. Persönliche Entwicklungschancen zeigen, dass Lernen und Weiterentwicklung keine Frage des Alters sind, während Wissensmanagement den wertvollen Erfahrungsschatz älterer Beschäftigter für das Unternehmen nutzbar macht.
Die Gestaltung der Übergänge in den Ruhestand ermöglicht einen sanften Ausstieg aus dem Erwerbsleben, während Weiterbeschäftigung nach Renteneintritt flexible Lösungen für beide Seiten bietet. Abgerundet wird das Spektrum durch Versicherungen und Vorsorge als wichtige Bausteine der Mitarbeiterbindung.
Mehr als nur ein Fragebogen
Der LLWI ist weit mehr als eine simple Checkliste. Der Fragebogen mit 80 Aussagen zum Umgang mit Älteren ab 50 plus wurde in einem mehrstufigen wissenschaftlichen Verfahren entwickelt und validiert. Er dient als Diagnoseinstrument, um Bereiche zu identifizieren, in denen noch Entwicklungsbedarf besteht.
Das begleitende Handbuch bietet Organisationen die Möglichkeit einer fundierten Standortanalyse. Unternehmen erhalten einen Überblick darüber, in welchen Bereichen sie bereits gut aufgestellt sind und wo noch Entwicklungspotenzial besteht. Gleichzeitig liefert es Beispiele für Maßnahmen und deren Rahmenbedingungen als konkrete Ansatzpunkte.
Praktische Anwendung und Nutzen
Die Praxiserfahrung zeigt, dass der Index nicht nur für die Analyse des Status quo nützlich ist, sondern auch als Startpunkt dient, um sich in der Organisation mit dem Thema auseinanderzusetzen und dafür zu sensibilisieren. Über 100 Betriebe haben das Instrument bereits erfolgreich angewendet und dabei wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung von Ansatzpunkten zur Maßnahmenplanung und -umsetzung gewonnen.
Besonders wertvoll ist der LLWI für Interessenvertretungen, die das Instrument als Grundlage nutzen können, um über Initiativen Prozesse im Unternehmen anzustoßen. Das Handbuch ermöglicht es, sich eingehender mit den Themen auseinanderzusetzen und konkrete Ideen zur Umsetzung von Gestaltungsmaßnahmen zu entwickeln.
Der Fokus auf Lösungen
Kritisch könnte eingewendet werden, dass der Index keine „schlechte Arbeit“ aufspürt und damit den Hauptgrund für vorzeitigen Berufsausstieg nicht direkt adressiert. Die Entwickler begründen diesen Ansatz bewusst mit Peter Druckers Grundsatz: „Was man nicht messen kann, kann man nicht verbessern.“. Das Instrument zielt darauf ab, Gestaltungsbereiche zu identifizieren und Gestaltungsoptionen aufzuzeigen, anstatt lediglich Probleme zu analysieren.
Fazit: Ein Werkzeug für die Zukunft der Arbeit
Der Later Life Workplace Index stellt ein wissenschaftlich fundiertes und praxiserprobtes Instrument dar, das Organisationen dabei unterstützt, den demografischen Wandel aktiv und nachhaltig zu gestalten. In einer Zeit, in der Deutschland bis 2035 mit einem Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung um 4 bis 5 Millionen rechnen muss, bietet der LLWI konkrete Handlungsansätze, um das Potenzial älterer Beschäftigter optimal zu nutzen.
Die kostenlose Verfügbarkeit des Handbuchs und Fragebogens über die BAuA-Website macht das Instrument für Unternehmen jeder Größe zugänglich. Damit leistet der LLWI einen wichtigen Beitrag dazu, dass mehr Menschen das Ziel erreichen können, gesund die Rente zu erreichen – ein Wunsch, der heute noch längst nicht für alle Beschäftigten Realität ist.
Das Instrument zeigt exemplarisch, wie präventive Arbeitsgestaltung aussehen kann: nicht reaktiv auf Probleme zu warten, sondern proaktiv die Weichen für eine alter(n)sgerechte Arbeitswelt zu stellen, die allen Generationen zugutekommt.
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In puncto gesunder Arbeitskultur bin ich deutschlandweit, insbesondere in Baden-Württemberg tätig, vor allem aber in den Orten Dornhan, Rottweil, Horb am Neckar, Villingen-Schwenningen, Nagold, Oberndorf am Neckar, Altensteig, Sulz am Neckar, Schramberg, Dunningen, Eutingen im Gäu, Empfingen, Fluorn-Winzeln, Waldachtal, Starzach, Pfalzgrafenweiler, Balingen, Haigerloch, Bondorf, Mössingen, Trossingen.